Sandwater - Simonswolde

 

Zwischen der hoben Geest und der von Niedermooren geprägten Fehntjer Niederung liegt bei dem Dörfchen Simonswolde ein verträumtes Binnenmeer. Überragt von dem weißen Flügelkreuz einer restaurierten und zu Wohnzwecken umgebauten Holländerwindmühle versteckt sich hinter Erlen, Weiden und Pappeln das Sandwater.

 

Ein breiter Schilfsaum umgibt den flachen See, der sich fast anderthalb Kilometer lang und etwa einen halben Kilometer breit von Ost nach West dahinzieht.

Zahllose Seerosenfelder bedecken die dunkle Wasserfläche, von der sich im Sommer die Blüten der weißen Seerose und der gelben Teichmummel wie strahlende Sterne abheben.

Sand und Wasser haben diesem stillen Landsee seinen Namen gegeben. Während einige der ostfriesischen Binnenmeere von Hochmooren umgeben sind, ragt das Sandwater mit seinem westlichen Teil bis weit in die Ausläufer der Geest hinein. Nur am östlichen Rand hat eine Hochmoorbildung stattgefunden.

Entstanden ist das Gewässer vermutlich in der Zeit des oberen Atlantikums. Zwischen einem ansteigenden Vorsprung der sandigen Geest und einem im Osten aufwachsenden Hochmoor füllte sich damals eine riesige Senke mit Wasser. Bodenuntersuchungen lassen den Schluss zu, dass dieses etwa um 3500 bis 2500 v. Chr. entstandene Binnenmeer im Laufe der Zeit jedoch durch klimatische Veränderungen und eine Landhebung für längere Zeit ausgetrocknet gewesen ist. Als dann vor etwa 2000 Jahren der Meeresspiegel anstieg und im Binnenland die Wiedervernässung begann, entstand der See ein zweites Mal.

Nach heutigen Erkenntnissen muss das flache Binnenmeer zu dieser Zeit eine Ausdehnung von mehreren hundert Hektar gehabt haben. Diese Ausmaße dürften lange weitgehend unverändert geblieben sein, weil das aus dem Moor zufließende, saure Niederschlagswasser den Pflanzen die Lebensgrundlage entzog und ein Vordringen von Röhricht und anderen Pflanzengesellschaften über die Uferzone hinaus weitgehend verhinderte.

Verein Naturpark
Ostfriesische Binnenmeere e.V.
An der Försterwiese 12a
26607 Aurich

stellte Text und Fotos freundlicherweise zur Verfügung

Die an den meisten ostfriesischen Binnenmeeren zu beobachtende starke Verlandung konnte deshalb im Sandwater nur sehr langsam voranschreiten. Das jenseitige Ufer gehört nämlich zum Gebiet der sogenannten Meeden und dient vorzugsweise zur Heugewinnung. Der Boden ist hier morastig, vielfach nur von einer dünnen Schlickschicht bedeckt und, wo diese fehlt, stellenweise so sumpfig, dass man hier und dort Strauchwerk aufgestellt sieht, um vor dem Betreten zu warnen."

Trotz all dieser Erschwernisse wussten die Einwohner des über 700 Jahre alten Dorfes Simonswolde die natürlichen Gegebenheiten des Gewässers jedoch auch für ihre Zwecke zu nutzen.

Der Fischfang und die Wasserjagd auf dem Sandwater waren ein lohnender Nebenerwerb, und im Winter wurde mit dem Reithschneiden manche Mark dazu verdient. Hoch in Blüte stand im vergangenen Jahrhundert der Butterhandel. Mit kleinen und besonders flach gebauten Booten - den Jüllen - fuhren die Händler vom Sandwater aus über das Fehntjer Tief in die nähere und weitere Umgebung und kauften bei den Bauern die hausgemachte Butter auf. In Fässer verpackt wurde die aufbereitete Ware dann an Händler vermarktet oder in den nahen Städten direkt an den Verbraucher verkauft.

 

  Nicht weniger bekannt und einträglich war der Simonswolder Gänsemarkt. Über Jahrhunderte war die Zucht von Wassergeflügel für die vorwiegend von der Landwirtschaft lebende Bevölkerung, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Erst als man mit dem Bau von leistungsfähigen Schöpfwerken und breiten Entwässerungsgräben den hoben Grundwasserspiegel in den teilweise unter dem Meeresspiegel liegenden Sietlanden auf Dauer absenken konnte, wurde eine intensive landwirtschaftliche Nutzung der Wolden und Meeden möglich.

Hielten sich die Auswirkungen dieser ersten Eingriffe von Menschenhand noch in Grenzen, so waren mit einer 1962 durchgeführten, großflächigen Flurbereinigung weitaus schwerwiegende Folgen für die bis dahin weitgehend unberührte Naturlandschaft verbunden. Im Rahmen der umfangreichen Meliorationsmaßnahmen wurde das Sandwater eingedeicht und ein beachtlicher Teil des Binnenmeeres durch einen Straßendamm abgetrennt. Durch diesen massiven Eingriff in das sensible Ökosystem verlor das Sandwater praktisch seine Ursprünglichkeit, zumal auch die bis dahin bestehenden natürlichen Zuflüsse unterbrochen wurden, so dass ein ausschließlich durch Niederschlagswasser gespeistes Stillgewässer entstand. Begünstigt durch die geringe Wassertiefe, sie schwankt jahreszeitlich bedingt zwischen 30 und 80 Zentimeter, setzte nun eine zwar langsame aber unaufhaltsame Verlandung ein, mit der eine spürbare Verringerung der Artenvielfalt in Fauna und Flora einherging.

1973 wurde das Sandwater mit seinen Randbereichen zum Naturschutzgebiet erklärt. Seither sind Beeinträchtigungen der Natur, insbesondere der Pflanzen- und Tierwelt, sowie Veränderungen der Oberflächengestalt des Bodens nicht mehr erlaubt. Von der Naturschutzverordnung in dem 58 Hektar großen Schutzgebiet bleibt die land- und forstwirtschaftliche Nutzung jedoch unberührt, nur das Reitschneiden ist verboten. Die Ausübung der Jagd und der Fischerei ist (mit Auflagen) möglich, und aus den von den Stadtwerken Emden an der Nordseite des Sees angelegten zehn Tiefbrunnen wird weiterhin Grundwasser für die Wasserversorgung der Stadt Emden gefördert.

Trotz aller von Menschenhand vorgenommenen Eingriffe und Veränderungen ist das Sandwater nicht zuletzt durch die - Unterschutzstellung - immer noch ein landschaftliches Kleinod. Vielen seltenen Tieren und Pflanzen bietet es einen geschützten Lebensraum, und für manche ist es ein einzigartiges Rückzugsgebiet geworden. Vergessen Sie deshalb bei einem Spaziergang am Sandwater nicht, dass Sie sich in einem Naturschutzgebiet befinden.

Vermeiden Sie nach Möglichkeit alles, was Tiere und Vögel - besonders in der Brut und Setzzeit - beunruhigen und stören könnte. Hunde sollten immer angeleint werden. Bleiben Sie auf den Wegen und helfen Sie durch Ihr Verhalten nach Kräften mit, diesen gefährdeten Lebensraum zu schützen und in seiner Einzigartigkeit zu erhalten.

 

      

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erstellt von Albrecht Wilken, Simonswolde